1933 - 1990 | Schriftstellerin
Chemnitz
Irmtraud Morgner (Irmtraud Elfriede Schreck) wurde am 22. August 1933 in Chemnitz als Tochter eines Triebfahrzeugführers in einem Haushalt ohne Bücher geboren. Sie gehörte zur ersten Generation junger Frauen und Mädchen nach dem Zweiten Weltkrieg, denen in der DDR unabhängig vom Besitz- und Bildungsstand der Eltern die Türen für Bildung offenstanden.
Nach dem Abitur an der Erweiterten Oberschule „Karl Marx“ in Chemnitz im Jahr 1952 studierte sie im Anschluss bis 1956 Germanistik und Literaturwissenschaft an der Universität Leipzig bei dem Literaturwissenschaftler Hans Mayer und dem Philosophen Ernst Bloch. In den folgenden zwei Jahren war sie Redaktionsassistentin der vom Deutschen Schriftstellerverband herausgegebenen Zeitschrift „Neue Deutsche Literatur“ in Berlin. Seit 1958 arbeitete sie in dieser Stadt als freischaffende Autorin – hier wurde 1967 ihr Sohn geboren.
Im Jahr 1959 erschien die erste Erzählung „Das Signal steht auf Fahrt“. 1962 folgte der Roman „Ein Haus am Rande der Stadt“; der 1965 angekündigte Roman „Rumba auf einen Herbst“ wurde vom Verlag nicht zur Veröffentlichung freigegeben. Er konnte erst 1992 erscheinen. Eingriffe in ihr Werk durch Zensur und Staatssicherheit gehörten bis zum Ende der DDR zu den Schattenseiten ihres Schriftstellerinnenlebens. In zweiter Ehe war sie 1972 bis 1977 mit dem Schriftsteller Paul Wiens verheiratet, der als Informeller Mitarbeiter der Staatssicherheit Berichte über sie verfasste.
1972 bekannte sie sich öffentlich dazu, das „Evangelium einer Prophetin“ schreiben zu wollen: „Ich meine, dass die Frauen, wenn sie die Menschwerdung in Angriff nehmen wollen, ein Genie brauchen können, weniger Kunst, ein Genie!“ In den Romanen „Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura“ (1974), „Amanda. Ein Hexenroman“ (1983) und „Das Heroische Testament. Roman in Fragmenten“ (1998 aus dem Nachlass herausgegeben) realisierte sie ihre Poetik. Dem Abschied vom objektiven Erzählen setzte sie ihre phantastischen Geschichten entgegen. In ihren Romanen wurde Wirklichkeit mit Erdachtem verwoben, scheinbare Schwere löste sich in Leichtigkeit auf und immer wieder sind es berufstätige Frauen – sei es die Triebwagenführerin, die Laborantin oder die Taxifahrerin – die zur Verweigerung gängiger weiblicher Normen ermuntern.
Den in den 1970er und 1980er Jahren aktuellen Begriff der Frauenliteratur lehnte sie kategorisch ab, da es auch keine „Männerliteratur“ gebe; sie war „auf den ganzen Menschen aus“. Dem Feminismus hat sich Irmtraud Morgner nicht verweigert, wichtig war ihr der Gedanke, dass die „Emanzipation der Frauen nicht ohne die Emanzipation der Männer“ erreichbar sein werde.
Für ihr Werk erhielt Morgner, die in Ost und West über eine große Leser*innenschaft verfügte, zahlreiche Ehrungen, so den Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste der DDR (1975) und den Roswitha-von-Gandersheim-Literaturpreis (1985). In den 1980er Jahren unternahm sie unter anderem Lesereisen in die USA und die Schweiz; 1987/88 war sie Gastdozentin am deutschen Seminar der Universität Zürich. Nach einer Krebserkrankung und zahlreichen Operationen am Ende der 1980er Jahre verstarb sie am 6. Mai 1990 in Berlin. Sie wurde in der Künstlerabteilung des Zentralfriedhofs Friedrichsfelde beigesetzt.
Autorin: Prof. Dr. Ilse Nagelschmidt
Am 22. August 2023 wurde zu Ehren der Schriftstellerin Irmtraud Morgner unsere 36. frauenorte sachsen-Tafel eingeweiht. Die Feierlichkeit wurde von einer Vielzahl an Gästen besucht. In zahlreichen Redebeiträgen wurde viel über das Leben und Wirken Irmtraud Morgners in Chemnitz, im damaligen Ost- und Westdeutschland sowie international gesprochen.
Als Standort für die Tafel wurde das Georgius-Agricola-Gymnasium (Adresse: Park der Opfer des Faschismus 2 in 09111 Chemnitz) in Chemnitz gewählt. Das Gymnasium war früher die Karl-Marx-Oberschule, an der auch Irmtraud Morgner zur Schule gegangen ist.
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